Freitag, 16. Januar 2009

Teil Zwei des völlig verückten Montages

14.05 wieder bei den Bewerbungsunterlagen
Ich stelle fest, dass ich auf dem nicht tabellarischen Lebenslauf ein Passfoto kleben soll und kriege eine weitere schlimme Krise. How dare they? Warum kann ich nicht einfach meinen wundervollen tabellarischen Lebenslauf mit dem zauberhaften digitalen Foto aus Montepelier nehmen. Da sehe ich wenigstens nicht aus wie der letzte Honk, eine sterbenskranke Schwergewichtsboxerin oder ein zwölfjähriges Gothic-Kid. Passfotos schaffen es aus mir, selbst an Tagen, an denen ich mich eigentlich ganz gut fühle, ein blasses, konturenloses, dickgesichtige Monster zu machen. Wer mein Personalausweisfoto sieht, schmeißt meine Bewerbung sofort in hohem Bogen in den Altpapierkorb. Oder hängt sich das Bild zum täglichen Ablachen an die Büro-Pinnwand. Also neue Bilder...

14.15 im Badezimmer
Murphy schlägt zu. Warum kriegt man die wichtigen Anrufe in den ungünstigsten Momenten. Warum muss mein Handy mit dem angekündigten Jobangebotsanruf ausgerechnet jetzt klingeln? Die scheinen am anderen Ende der Leitung ein Talent für ungünstige Anrufzeiten zu haben (und können damit zusammen mit Lars eine Selbsthilfegruppe gründen). Nachdem sie mich das erste Mal in Gran Canaria im Taxi erreicht haben, das zweite Mal während der Schulung im Friedrichsstadtpalast (das Handy war selbstverständlich auf lautlos) anriefen, ist dies wirklich der ungünstigste aller Momente.
Ich wette, dazu steht auf Jonas' Plakat zu Murphy's Law ein passender Spruch.
Na gut, es ist wichtig. Also laufe ich mit offener Hose durch die Wohnung zum Telefon. Da nur Gregor da ist und ich für dessen Geschmack eh zehn Jahre zu alt und zehn Kilo zu schwer bin, ist mir das auch nicht weiter peinlich. Und die Frau am anderen Ende kann mich ja glücklicherweise nicht sehen, sondern nur den Enthusiasmus in meiner Stimme hören.

14.25 zurück am Laptop in Daniels Zimmer
Ich entscheide, dass heute mein Glückstag ist und ich unbedingt mein Telefoninterview führen sollte. Ich strahle schließlich vor mich hin und kann diese positive Grundeinstellung und mein umwerfendes Lächeln heute bestimmt auch durch den Hörer nach Frankfurt rüberbringen.
Der Mann am anderen Ende der Leitung möchte allerdings ersteinmal wissen, ob ich schwimmen könne. Ich sage: ...joaaa.... Und denke an den Schwimmkurs bei der bösen Frau Claus, die immer ganz viel rumgemeckert hat und mich in den letzten zehn Minuten nie mit den anderen im Nichtschwimmerbecken hat spielen lassen, weil ich so langsam war und ein paar Strafbahnen schwimmen musste. Aber gut. Ich habe das Seepferdchen bestanden. Insofern ist meine Antwort wahr!
Als nächstes erkundigt sich der Mann in Frankfurt nach möglichen Piercings und Tattoos. Ich erzähle, wie klitzeklein der Stecker in meinem rechten Nasenflügel ist und biete ihm an, den im Falle eines persönlichen Vorstellungsgesprächs und einer Anstellung rauszunehmen. Das wollte er hören!
Es geht auf Englisch weiter. Nachdem ich ausführlich erklärt habe, wo ich Englisch gelernt habe und was ich für Serviceerfahrungen habe, kommen seltsame Fragen, deren Antworten ich mir schnell ausdenken muss, obwohl ich nicht genau weiß, was ich selbst für guten Service halte und erst recht nicht, was die Fluggäste Nettes über mich auf die Feedbackformen schreiben werden. Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass irgendjemand je einen Feedbackbogen ausfüllt, wenn er sich nicht über etwas aufregen möchte. Das erkläre ich dem Mann am anderen Ende der Leitung, aber er zeigt wenig Verständnis für meine Ansicht.
Zwischendurch sehe ich mein Handy aufleuchten (zum Glück lautlos). Papa versucht anzurufen. Wahrscheinlich will er mir mitteilen, dass er eine Stewardess ausfindig gemacht hat, die mir ein paar Tipps geben kann. Oder mir davon abraten das Interview heute zu führen. Zu spät!
Nach zwanzig Minuten ist das Gespräch vorbei. Der Mann fragt mich, ob ich noch Fragen hätte. Ich weiß wirklich nicht, was ich ihn fragen sollte. Also lasse ich mir eine Rückrufnummer geben und lege auf.

14.50 in der Küche
Ich komme fluchend aus Daniels Zimmer. Jana ist gerade von der Uni gekommen und kocht sich Mittagessen: "Wusst ich's doch, dass ich deine Stimme aus Daniels Zimmer gehört habe." - "Ja, ich habe da gerade mein Home Office eingericht und mein Job-Interview gehabt." Ich laufe zu den Resten meines Milka-Kuhflecken-Weihnachtsmannes und stecke mir nervös ein Stück nach dem anderen in den Mund: "Scheiße man. Das lief ja richtig schlecht. Was waren denn das für bescheuerte. Was soll man denn um Himmels Willen auf die Frage antworten, warum sie gerade mich einstellen sollten. Und wie definiert man guten Service?!" Jana versucht - wie immer- ganz therapeutisch einfühlsam auf die Situation einzugehen: "Bist du dir sicher, dass es wirklich so schlecht war? Nur weil du das Gefühl hast, dass es nicht so gut lief, heißt das doch nichts?" Noch ein Stück Weihnachtsmann. Ich bin desillusioniert und erschüttert, dass mein Plan B nicht aufzugehen scheint. Jana versucht weiterhin, mich zu beruhigen und schlägt vor, ich könne mich doch auch einfach bei KLM bewerben. Könnte ich wohl, wenn ich denn des Niederländischen mächtig wäre. Bin ich aber nicht. Insofern muss ich mich wohl an deutsche Fluggesellschaften halten.

15.15 S+U Bahnhof Schönhauser Allee
Mal wieder mein Handy. Ein Rückruf von Papa. Ihm ist etwas eingefallen, dass sie im Interview sicher fragen werden: "Die werden von dir wissen wollen, warum du das nach dem Studium noch machen willst. Da musst du eine gute Antwort drauf haben." Leider haben sie das nicht gefragt. Denn darauf hätte ich sogar eine gut durchdachte Antwort gehabt. Also erzähle ich Papa und allen anderen Fahrgästen in der U2 detailliert von meinem Bewerbungsgespräch. Er will jede Frage und jede meiner Antworten genau wissen. Also werden meine Sitznachbarn werden über meine Sicht von gutem Service informiert. Irgendwie sind sie davon nicht so richtig begeistert. Nein, ich kann nicht leise reden. Kann ich wirklich nicht. Wenn die einmal im Leben bei uns zu Hause am Küchentisch gesessen hätten, wüssten sie, dass das Motto "survival of the loudest" gilt. Wie soll man sich denn sonst Gehör verschaffen.
Als die U2 kurz vorm Senefelder Platz unter die Erde fährt, habe ich keine Verbindung mehr. Ich ärgere mich und die anderen Fahrgäste freuen sich!

15.30 Umsteigen am Alex
Papa ruft zurück und will die restliche Berichterstattung hören. Also erzähle ich weiter und rege mich über die komischen Fragen auf. Als die S-Bahn am Hackeschen Markt einfährt stellt Papa fest: "Hey, du bist jetzt am Hackeschen Markt. Das habe ich gehört." Wie schön! Da macht er eine kleine telefonische Reise durch die Stadt mit.
Nachdem ich das gesamte Telefoninterview samt meiner Anmerkungen und Gedanken dazu wiedergegeben habe, ist Papa sicher, dass ich alle Fragen richtig beantwortet habe und immer noch im Rennen bin. Ich hoffe, dass das nicht eine solche verklärte väterliche Überzeugung ist wie bei meiner Bewerbung an der HU.

16.00 McCafé im Hauptbahnhof
Traditionelles montägliches Kaffeetrinken mit Lars in unserem Stammcafé. Ich habe so viel zu erzählen, dass ich gar keine Zeit für meinen grande Mocha mit fettarmer Milch habe. Und irgendwie bin ich auch viel zu überdreht und viel zu aufgeregt für Koffein. Ich rede eh schon so viel, als hätte ich bereits drei doppelte Espresso intus. Lars bleibt nichts anderes übrig als schweigend an seinem Latte zu nippen und sich für mich zu freuen.

17.00 Aula der Joan-Miro-Grundschule in Charlottenburg
TU Tanzkurs A1. Wie immer lachen und diskutieren wir mehr als wir tanzen. Die Schritte haben wir jede Woche wieder vergessen. Der Wiener Walzer ist nicht so unser Ding. Der langsame Walzer auch nicht. Ich finde, Lars' Vorwärtsschritte sind zu klein und Lars meint, ich drehe mich zu viel. Immerhin müssen wir heute keine Taktik überlegen, um den Partnerwechsel zu umgehen, den wir so hassen. Dafür klingelt mitten in der Trockenübung für den langsamen Walzer mein Handy. Und zwar gefühlte fünf Minuten lang. Ich überlege, was Papa und ich uns heute noch zu erzählen hätten und versuche möglichst unbeteiligt auszusehen, damit niemand darauf kommt, das es mein Telefon ist, dass da stört.
Zehn Minuten später fallen wir sowieso unangenehm auf, da wir früher gehen müssen. Die Arbeit ruft.

Teil 3 folgt...

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

auf weitere tolle Geschichten und Erlebnisse in aller Öffentlichkeit mit taaadddaaaa: dem Terrorkrümel...

Anonym hat gesagt…

Vielleicht kannst du nebenbei kurz klären was es überhaupt mit dieser Stewardess-Sache auf sicht hat...

Anonym hat gesagt…

Ja, also dass mit der Stewardess Sache und der HU, wo die dich nicht wollten, da sehe ich auch nicht durch...erkläre doch mal.

Anonym hat gesagt…

Kommt mir das jetzt nur so vor oder kam dir mein Aufmunterungsversuch-Gerede ebenso hilf- und nutzlos vor wie mir...? Sorry, bin halt eine sehr unprofessionelle Therapeutin! ;)
Aber hättest du mit mir über Frau Claus gesprochen, hätten wir ein schönes "geteiltes Leid ist halbes Leid"-Gespräch führen können!

Anonym hat gesagt…

Beschwert euch nur! Jonas ist eher sauer, weil er Frau Claus niemals kennenlernen durfte, weil seine Mutter (Frau Winkelmann!!!)ja unbedingt so viel arbeiten musste.
Tcha und in der U2 können sie nur froh sein, dass es ein Handygespräch war und nicht : Familie L. in der U-Bahn!

Sara hat gesagt…

Liebes Anoynym, das nicht Mama ist.
Die HU hat mich vor viereinhalb Jahren nicht genommen, denn sonst würde ich ja dort studieren. Papa hat noch Monate später auf eine Aufnahme im Nachrückverfahren gewartet...
Ob das mit der Stewardess ähnlich verlaufen wird, kann ich noch nicht sagen. Bislang bin ich noch im Rennen. Aber momentan ist Einstellungsstopp.

hummelreich hat gesagt…

Und was ist das für ein Job bei Murphys? Müsste ich das wissen? Und ich hätte noch ne Airline für dich: Warum bewirbst du dich nicht bei easyjet? Da hast du bestimmt gute Chancen und ich weiß, die sind nicht ganz so bürokratisch wie die LHF! Und warum hast du mir letzte Woche gesagt, das Gespräch wäre gut verlaufen und schilderst es hier total schlecht?