Mittwoch, 28. November 2007

Praktikum bei Channel 9

Schon schick, von der Uni einen Praktikumsplatz beim Fernsehen zu bekommen, ohne einen Finger dafür krümmen zu müssen, weil der einfach von der Uni zugeteilt wird und anschließend als Kurs angerechnet. Alles, was ich machen musste, um fünf Tage lang bei Channel Nine im News Room zu sitzen und mit den Reportern und Kameramännern durch die Stadt zu fahren, war die Internship Koordinatorin und der Dekanin meines Instituts davon zu überzeugen, dass ich am internship program teilnehmen kann, ohne "Australian Media Law ans Ethics" belegt zu haben. Das war glücklicherweise nicht schwer, da die beiden echt lieb sind und sich viel Zeit für die Studenten nehmen. Vor zwei Wochen bekam ich dann einen Anruf von der Koordinatorin, die wissen wollte, ob ich Interesse hätte, eine Woche Praktikum bei Channel Nine News zu machen und seit Montagmorgen fahre ich um sieben mit der North Sydney Line zum Studio hoch.

Der erste Tag war so langweilig, dass ich Montagnachmittag der Überzeugung war, das Praktikum würde dem bei der Berliner Zeitung den Rang als furchtbarstes aller Zeiten problemlos abjagen. Ich kam etwas angenervt von den Leuten, die mich in der Bahn so böse angeguckt haben, weil ich mein Rad dabei hatte (kennen die hier nicht, die gucken, als würde man mit einer Kuh neben ihn stehen und die ganze Zeit laut pupsen oder so) und kaputt von den vielen Hügeln die ich hochfahren musste, beim Sender an und musste mich erstmal bei der Security melden ("Sorry, what was the name? Newman?"), die natürlich von nix wusste, auch an der Rezeption waren sie ratlos und haben mich in den zweiten Stock geschickt, wo ich abgeholt werden sollte. Da stand ich dann zehn Minuten wie bestellt und nicht abgeholt, bis mir der Gedanke kam, dass mit second floor, wenn man amerikanisch denkt ja auch der erste Stock gemeint sein könnte. Also bin ich wieder runter, die Rezeptionistin hat mich angeguckt, als wär ich völlig bescheuert und mich vom Hausmeister begleitet wieder in den zweiten Stock geschickt, wo der chief of staff inzwischen auch endlich angekommen war und mir einen "Daily Telegraph" gedrückt hat, mit der Aufforderung, mich über die Nachrichten des Tages zu informieren. Nach 30 Minuten, die ich gelangweilt in der BILD-ähnlichen Zeitung geblättert habe, in denen sich keiner um mich gekümmert hat, habe ich mich dann getraut zu fragen, ob es irgendwas gebe, was ich tun könne. Ich sollte mich nochmal hinsetzen und warten...
Dann durfte ich mit Reporter Brad Schmitt, den ich neulich während der Arbeit in der Eisdiele schonmal in den Nachrichten gesehen und mich sehr über den Namen amüsiert hatte, und Kameramann Paul zum Children's Court (ich hätte ja immer gedacht, dass es juvenile court heißen würde) in Parramatta fahren, wo drei 16-jährige des Mordes eines 20-jährigen Neuseeländers angeklagt wurden. Das Gericht ist ein schickes, nett gemachtes, architektonisch beeindruckendes Gebäude, aber wenn man fünf Stunden im Flur wartet, ist es irgendwann langweilig. Denn in den zwei Stunden, die wir eh schon auf die Verhandlung warten mussten, weil sich alles verzögert hat, hat Mr. Schmitt ("My great-grandfather was German!" - na so was, das hätte ich ja bei dem Namen gar nicht gedacht) es leider nicht fertiggebracht, mir zu sagen, dass ich mich unten melden und meine ID scannen lassen muss, wenn ich mit in den Saal zur Verhandlung will und hat nur sich selbst angemeldet. Man hat gemerkt, dass es ihm auch völlig egal war, was ich mache und ob ich mit reinkommen kann oder nicht. Aber wenn man jede Woche eine neue Praktikantin mit ins Auto gesetzt kriegt, hat man wahrscheinlich irgendwann echt keine Lust, sich mit denen auseinanderzusetzen oder zu versuchen, sie zu intergrieren.
Also habe ich meinen Tag zusammen mit den Angehörigen der drei Mörder (der eine scheint mindestens sechs Geschwister jeden Alters zu haben, die die ganze Zeit fangen und verstecken gespielt haben) im Flur verbracht und habe Tagebuch geschrieben, bis es mir zu langweilig wurde und ich mich draußen vorm Haus zu Paul gestellt habe, dem eigentlich genauso langweilig gewesen sein muss, da er ja nicht stundenlang overlay gefilmt haben kann.
Zum Glück war ich gestern und heute mit netteren Reportern unterwegs, habe echt was machen können und eine Menge gelernt und bin sehr gespannt, wie es morgen aussieht.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bei: "die gucken, als würde man mit einer Kuh neben ihn stehen und die ganze Zeit laut pupsen oder so" bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Herrlich. Ansonsten: schade, daß die nicht mehr bieten für ne interessierte Praktikantin. Ich drück die Daumen, daß es besser wird. Winterknackekalte Grüße aus Köln

Anonym hat gesagt…

Hm... ich frage mich nach deiner Motivation, den ersten, ereignislosen Tag so ausführlich, die anderen aber gar nich zu schildern... ;)
Trotzdem unterhaltsam! Wie machst du das nur...

hummelreich hat gesagt…

Genau, das frage ich mich auch: Wie machst du das nur? Richtig gute Kurse, nette Wohnung, super nette Mitbewohnerinnen,gleich ein Job von Anfang an, und dann noch ein Praktikum - und das ohne was dafür tun zu müssen!!! Da werde ich fast ein wenig neidisch...