Freitag, 18. April 2008

Idiomatische deutsche Filmgespenster

Mein Weckruf heute morgen war Julia (die Lufthansakollegentochter) mit der Frage, ob ich mit zu einer lecture über deutschen Film an meiner Uni kommen wolle, die ihr ihre Deutschdozentin empfohlen hatte. Ein Vorlesung über deutschen Film? An meiner Uni? Und ich wusste nichts davon, wie kann das sein. Tja, scheinbar haben sie das ganze nur am Fachbereich Deutsch der USYD beworben und nirgendwo anders, was schon ganz schön bescheuert war, da im Endeffekt eh Englisch gesprochen wurde und die Veranstaltung Teil des German Film Festivals war, aber in dessen Programm nicht erwähnt wurde (das weiß ich, weil ich das inzwischen auswendig gelernt habe, weil ich mehrmals am Tag reingucke und mich ärgere, dass ich das ganze Wochenende arbeiten muss und mir keine Filme angucken kann).
Bei den Worten "deutscher Film" war ich also sofort wach, bin aufgesprungen, habe Lars bei unserem skype-Date versetzt und bin zur Uni geradelt (Lüge, zwischen aufstehen und losfahren lagen drei Stunden, in denen ich transkribiert habe).

Es stellte sich raus, dass es eigentlich gar keine Vorlesung war, sondern eher eine Kurzvorstellung des Films "Nichts als Gespenster" und anschließender Diskussion mit dem Regisseur Martin Gypkens bei Kaffee, Kuchen, Tee, Saft und Keksen (ich liebe die Uni Sydney dafür, dass sie bei jeder Veranstaltung immer für's leibliche Wohl sorgt, wobei mir eigentlich eine anständige Mensa auf dem Campus lieber wäre...).
Ich hatte von dem Film noch nichts gehört, da ich mich seit neun Monaten nicht mehr so wirklich, also gar nicht, mit deutschem Film befasst habe (werden im SMH nicht besprochen und laufen im Dendy leider nicht!) und habe auch Judith Hermanns Bücher, auf denen der Film basiert nicht gelesen (ich mag ja keine Kurzgeschichten), aber da machte nichts, weil die erste halbe Stunde des Films gezeigt wurde, die mir außer der von Maerker-esken Überartikulation der Schauspieler à la "WollEN wir einEN Kaffee trinkEN gehEN?" wirklich gut gefallen hat.
Aber wirklich? Wie kann man das denn zulassen, dass die Leute im Film so reden, als würden sie eine für Deutschlernkassette Lektion 1 sprechen. Ist ja gut und schön, dass der Regisseur den Text des Buches weitestgehend unverändert im Film verwenden wollte, aber man sollte dabei schon bedenken, dass geschriebene und gesprochene Sprache ganz unterschiedliche Dinge sind (das lerne ich gerade in meinem "radio broadcasting" unit mit news umschreiben).

Anschließend durfte das Publikum, sprich Julia und ein paar wenige Deutschstudentinnen, viele Deutschlehrerinnen und Dozenten, ein paar random alte Frauen und Fragen stellen, die mich niveaumäßig ein wenig an die Kirsten Boie Lesung der Jorker Bücherei 1994 erinnerten. Statt "Was ist das dickste/dünnste/lustigste/traurigste/bunteste Buch, das Sie geschrieben haben?", gab es heute Fragen wie "Why do so many character smoke?" - "You're actors seem to be very international, why is that?" - "How did you like shooting in five different countries?".

Außerdem hat eine Deutschlehrerin mittleren Alters angemerkt, dass die Übersetzung des Titels in den Untertiteln fehlerhaft sei. Wir haben alle zustimmend genickt, weil "Nothing but Ghost's" doch ziemlich peinlich war. Das hatte sie allerdings gar nicht bemerkt. Ihr ging es darum, dass "Nichts als Gespenster" im Deutschen doch eine idiomatic expression sei, die man so nicht übersetzen könne. "Wirklich? Kenn ich nicht.", meinte der Regisseur. "Nee, kenn ich auch nicht.", sagte die Frau vom Goethe-Institut. "Nein, ganz bestimmt nicht.", meinte ich.
Später tat uns die arme süddeutsche Deutschlehrerin mit ihren hässlichen Schuhen fast ein bisschen Leid, weil ihr keiner geglaubt hat. Aber eine web based research meinerseits hat ebenfalls ergeben, dass eine solche Redewendung in der deutschen Sprache nicht existiert. Ich glaube, was die Dame meinte, war "nichts als heiße Luft". Aber vielleicht irren sowohl die online-Redewendungssammlungen als auch Martin Gypkens, das Goethe Institut und ich... Kennt das von euch jemand?

Ich habe als einzige anwesende Filmwissenschaftlerin auf jeden Fall nichts gefragt oder gesagt, weil es mir unangenehm gewesen wäre, ihn darauf hinzuweisen, dass seine Schauspieler komisch sprechen oder ihm zu sagen, dass "Wir" mein einziges Einweihungsgeschenk beim Einzug ins House of Fun war (abgesehen von den vielen Möbeln und Geräten, die wir von Mama und Papa und Johns Mutter geerbt haben), bei mir zu Hause in Berlin im Regal steht und wir den Film immer wieder gern gucken, weil unser Extra um die Ecke drin "mitspielt". Julia meinte hinterher beim Kaffeetrinken zu mir, ich hätte ihm doch einfach sagen können und so vielleicht eine Rolle in seinem nächsten Film bekommen. Well, well. Chance vertan.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

uh: Du in Deinem filmwissenschaftlichen Metier und dann gibts auch noch cookies? Geile Versanstaltung (so ein wneig erinnert mich das an solche Geschichten die Tam auch mal erzählt hat, bulgarische Parties, Filme und Besuche bei Botschaftern...)! Ich war ja zutiefst beeindruckt vom cast als ich Deinen Linka auf imdb gefolgt bin. Denn so wirklich sagt mir der Film auch nichts...

hummelreich hat gesagt…

ich glaub die kekse gibt es bei allen besseren unis... schließlich sind die in den hohen Studiengebühren schon mit drin... is hier jedenfalls auch so

Max hat gesagt…

Kekse gibts hier auch bei jeder Besprechung. Die Krümel im Mund sind gut für die Moral.