Mittwoch, 28. Mai 2008

Bloody Backpackers

Zu meinem zweiten (bzw. ersten, je nachdem, wie man es zählt) Sydney Writer's Festival event wollte ich alles besser machen und habe das sogar geschafft.
Ich bin Freitag pünktlich aufgestanden und habe mich klugerweise dazu entschieden, mein Fahrrad mitzunehmen, um nicht wieder zu spät zu kommen, weil es doch ein wenig Latscherei von der Bahn am Circular Quay zur Wharf an Walsh Bay ist. Mit dem Fahrrad direkt am Hafen und unter der Harbour Bridge langzufahren war auch mal eine schicke Sache. Das hatte ich noch nie gemacht und war wirklich cool.
So war ich dann ganze fünfzehn Minuten vor Beginn der Podiumsdiskussion mit Barry Divola zu seinem "The Secret Life of Backpackers" da, habe mich in die ewiglange Schlange Literaturbegeisterter eingereiht und einen der letzten Plätze im Bangarra Theater bekommen, neben einer älteren Dame, die ihrem Sitznachbarn eine Unterhaltung über das Reisen und die Jugend von heute aufgenötigt hat, in die ich mich fast aufgeregt eingemischt hatte, weil ich es total anstrengend finde, wenn solche Leute irgendwelchen Schwachsinn über eine Gruppe von Menschen verbreitet, mit der sie offensichtlich noch nie Kontakt hatten. Aber ich konnte mich gerade so zurückhalten.

Das Gespräch auf dem Podium war lustig, da Divola ein witziger Typ zu sein scheint. Leider hat er genau die Stelle aus dem Buch vorgelesen, die ich schon aus dem Vorabdruck in der "Madison" kannte, nämlich die ersten drei Seiten. Interessant fand ich, dass seine Mutter im Publikum war und er vorher meinte, sie sei seine härteste Kritikerin und solle Bescheid sagen, wenn er wieder zu lange lese. Haha, der Mann ist über 40 und trotzdem hat Mama noch so einen Einfluss. Wahnsinn.

Egal wie witzig seine Berichte über bekiffte Holländer in Bondi, von Passionpop-angetrunkene Manchesterinnen in Cairns und ständig nörglende Londoner auch sind, es war alles ziemlich einseitig und klischeehaft. Ich dachte eigentlich, man macht einen Monat verdeckte Recherche in Hostels an der Ostküste, um einen richtigen Einblick ins Leben der Backpacker zu bekommen, verschiedene Menschen kennenzulernen und dieses authentische Bild der Backpackerkultur dann im Buch darzustellen und nicht um weiterhin Stereotype zu reproduzieren, die sicher teilweise stimmen, aber nur eine bestimmte Gruppe unter den Backpackern widerspiegeln. Schade. Aber scheinbar verkaufen sich nur lustige Anekdoten über Sex in Stockbetten, besoffenen Iren, die aus dem Fenster pissen und die Tatsache, dass alle convenience stores in Bondi hauptsächlich instant noodles in zig Geschmacksrichtungen verkaufen, weil die Backpacker nix anderes essen.
Die Lacher im Saal hatte er damit immer auf seiner Seite. Das manche der Backpacker sich in Queensland bei der Bananenernte die Haut verätzen oder im Löwenbräu für einen Hungerlohn im peinlichen Dirndl rumlaufen, hat er nicht erzählt.

Überraschenderweise hat er die Deutschen kein einziges Mal erwähnt, was mich erstaunt hat, da die so einen großen Teil der work and traveller ausmachen. Aber scheinbar mag er hauptsächlich keine Engländer, denn über die hat er eigentlich non-stop gelästert und meinte, sie sollen doch einfach auf ihrer verregneten Insel bleiben statt sich über die teuren Bierpreise in Sydney zu beschweren.

In der Fragerunde hat mir jemand meine Frage weggeschnappt, ob es denn nationale Unterschiede gebe, woraufhin er meinte, dass die Kontinentaleuropäer mehr zusammen kochen würden als die Briten und Iren und die Asiatinnen gern Koalas streicheln. Dann kamen natürlich noch eine Menge seltsam bescheuerter Fragen von ältern Damen aus dem Publikum ("Do backpackers take drugs?" Hahahaha, ich hätte fast laut gelacht, das erste Mal in der Veranstaltung.)

Anschließend im bookstore konnte ich der Versuchung nicht länger wiederstehen und habe mir das Buch schließlich doch gekauft. Wann habe ich schon die Möglichkeit ein Buch mit persönlicher Widmung zu bekommen? Während ich fürs signing anstand, drehte sich die ältere Dame vor mir um und wollte sich mit mir unterhalten:
So, are you a backpacker then? - Why? Do I look like one? - Oh, mmh, erh, well, yeah, I don't know.... I suppose. - Well, I'm not. I' m a student. - Oh, well... - But I know some backpackers here in Sydney. There are lot of German travellers here. - Yes, but the Germans are the best. - Why? - Well, I have a big house in Bondi and I always sublet one of the rooms. I've had soooo many different backpackers staying with me. And the Germans were always the best. So friendly, so well educated, so polite. - Really? - Yes, wonderful people. - Oh, well. That's good to hear.

Divolas erste Frage, als ich mit dem Buch vor ihm stand, war auch, wo ich denn herkomme. Meine Güte, sehe ich so exotisch aus. Also habe ich ihm erzählt, dass ich Austauschstudentin aus Deutschland bin und in wenigen Wochen genau die gleiche Route reisen werde wie er.
Nun habe ich die wunderschöne Widmung "To Sara, good luck for your trip" auf der ersten Seite stehen und mein Buch stolz wie Oskar in den nächsten paar Tagen jedem unter die Nase gehalten, der mir zufällig über den Weg lief.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

also ein Buch nur wegen einer Widmung zu kaufen, klang in meinen Ohren erst ein wenig komisch aber hätte ich wahrscheinlich dann schließlich auch gemacht...

Anonym hat gesagt…

@yours: Das hast Du gemacht. Do you remember??!?! PSB im letzten Mai?!?!? Du bist fast geplatzt vor Stolz!!!!

Unknown hat gesagt…

Aber wo er Recht hat, hat er Recht. In Australien gibt es die anstrengensten Backpacker überhaupt und viele davon sind Engländer...

Anonym hat gesagt…

Vielleicht sind Backpacker ja TATSÄCHLICH eine Gruppe von Menschen, über die es fast nichts anderes als Stereotype (also zu wenig für ein Buch) zu berichten gibt!
Du kannst ja irgendwann versuchen, das Gegenteil zu beweisen - so wäre dein neues Buch nicht nur ein lustiger Zeitvertreib, sondern auch noch ein Ansatz für sinnvolle berufliche Beschäftigung...
Ich würde es mir übrigens bei Gelegenheit gern mal ausleihen. :)

Anonym hat gesagt…

Alles, was nichts mit Stereotypen zu tun hat, ist doch eh nicht spannend. Oder will etwa jemand hören, wie sich zum Beispiel Engländer ohne Schimpfworte zu verwenden und Alkohol zu trinken einen schönen Abend machen?

Anonym hat gesagt…

Mir kam es so vor als würde ich einem bunten Blumenstrauß an menschlichen Kleinoden in jedem hostel in dem ich war begegnen: von schockiert bis amüsiert, interessant bis "achduscheiße" von schön bis unglaublich hässlich. Mein Favorit ist aber immer noch der Franzose der zwar nicht bezahlt hatte aber nachts in mein Bett krauchen wollte und dafür dann eine dicke Frau aus ihrem Bett vertrieben hat (ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen das sowohl di beschriebenen Charaktere als auch die Szenerie aus darmaturgischen Gründen hier in leicht abgewandelter Form erwähnt werden..;-)